Übersetzung und Adaption – worauf es an­kommt

ein gezeichnetes rosa Schwein hängt an zwei blauen Luftballons. In einer Sprechblase steht: „When pigs fly – wenn Schweine fliegen“

So manch einer denkt, dass Übersetzungen eine leichte Sache sind. Schließlich muss man ja nur den Ausgangstext in der anderen Sprache abtippen. Doch eine Übersetzung ist keine Fließbandarbeit. Sie erfordert genauso viel Mühe und Sorgfalt wie das Aufsetzen des Ausgangstextes. Und überdies auch noch eine Menge Know-how und Kreativität. Denn natürlich soll nicht auffallen, dass der Text ursprünglich in einer anderen Sprache geschrieben wurde. Doch Metaphern, Wortspiele oder Visualisierungen, die auf Kulturgut beruhen, lassen sich leider nicht immer in andere Sprachkreise retten. Manche sind schlichtweg unübersetzbar oder würden stark an ihrer Werbewirksamkeit verlieren. Zum Beispiel ein Bild mit Computermäusen und dazu die Schlagzeile: „Sehen Sie weiße Mäuse?“ Statt weißer Mäuse tauchen vor meinem inneren Auge nur rosa Elefanten auf, denn die Entsprechung dieser Redewendung im Englischen wäre „to see pink elephants“. Das klingt zwar ganz nett, ist für den gewünschten Zweck aber unbrauchbar. Oder nehmen wir den Song „Red roses for a blue lady”. Das Wortspiel mit den Farben, das durch die Doppelbedeutung des Wörtchens “blue” (blau/traurig) möglich wird, geht im Deutschen verloren. Die Dame wäre zu Recht wohl kaum entzückt, würde man sie als „blau“ bezeichnen ;-). Will ich solche Wortspiele erhalten, muss ich eine freiere Übersetzung oder auch eigenständige Adaption finden. Und es kann manchmal Stunden oder sogar Tage dauern, bis die optimale Lösung gefunden ist.

Synchronisation – wie man jemandem Worte in den Mund legt

Eine weitere Herausforderung bietet die Übersetzung für audiovisuelle Medien. Wird eine Synchronisation gewünscht, muss der Text auch in Sprachtempo und Länge dem Original angepasst werden. Zudem muss er den Lippenbewegungen entsprechen und stimmig mit Gestik und Mimik des Darstellers sein ohne unnatürlich zu klingen. Problem: deutsche Texte neigen dazu länger zu sein, wo das Englische so wunderbar präzise und knapp ist. Beispiel: „abs“ (1 Silbe) = Bauchmuskulatur (5 Silben). Und auch Lippenlaute wie „b, p, m, f, v“ können mir einiges Kopfzerbrechen bereiten, da ich Sätze bilden muss, die ungefähr an derselben Stelle einen Lippenlaut haben wie das Original, wenn ich unfreiwillig komische oder störende Elemente vermeiden will. So ist die Übersetzung von „my name is“ zwar „ich heiße“, doch werde ich die Übersetzung mit „mein Name ist“ bevorzugen. Einfach, weil es den Lippenbewegungen des Darstellers besser entspricht.

Was der Übersetzer wissen sollte

Der Texter fragt mit Recht: für wen, welchen Zweck, welches Medium. Und so wie der Texter ohne Briefing nicht arbeiten kann, fischt auch der nicht ausreichend informierte Übersetzer im Trüben vergeblich nach den passenden Worten.
An wen richtet sich die Übersetzung und in welchem Medium soll der Text später erscheinen? Ist die Zielgruppe Expertenpublikum oder „Otto-Normal-Verbraucher“? Gibt es ein Corporate Wording oder andere unternehmenseigene Vorgaben, die zu berücksichtigen sind? Welche Erwartungen stellt der Auftraggeber an den Text? So unterschiedlich wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, so unterschiedlich wird auch die Übersetzungsarbeit sein. Nur wenn der Übersetzer umfassende Informationen erhält, kann er die Übersetzung optimal auf die Wünsche und Ziele des Kunden abstimmen – quasi maßgeschneidert adaptieren und dem Kunden effektiv zuarbeiten. Das spart allen Zeit, Nerven und letztendlich auch Geld.

Wie der Übersetzer seinen Kunden vor Blamagen bewahren kann

Erst kürzlich las ich in einer Bedienungsanleitung für eine Lichterkette: „Bei der Benützung muss man irgendein scharfen und irgendein heißen Artikel, der die Lampekette zerbrechen kann, verhuetten.“ Ärgern Sie sich nicht auch, wenn Sie unverständliche Bedienungsanleitungen lesen müssen, die zudem noch voller Druckfehler sind? Leider wird in manchen Unternehmen wohl aus Zeit- und Kostengründen die Adaption von Produkt- und Werbematerialien immer noch sehr stiefmütterlich behandelt. Dabei wird oft vergessen wie sehr eine schlechte Übersetzung dem Image des Herstellers und seiner Marke schaden kann.
Schließlich ist es auch Aufgabe des Übersetzers seinen Kunden vor peinlichen Blamagen zu bewahren. Zum Beispiel, indem er ihn auf kulturspezifische Anspielungen, sprachliche Eigenheiten und Tabus des Ziellandes aufmerksam macht. Es gibt viele solcher „Kulturfallen“, in die man unversehens tappen kann. Von „falschen Freunden“ ganz zu schweigen. So bedeutet „over the hill“ keineswegs „über den Berg“, sondern schlichtweg „alt“. Und ein „alien“ ist nicht immer außerirdisch, sondern meistens einfach nur fremd.

Wer übersetzt?

Und auch darauf sollte man achten: Wer leistet überhaupt die Übersetzungsarbeit?
Übersetzt dieser jemand in seine Muttersprache? Das kann von Vorteil sein, denn Sprache befindet sich in einem ständigen Wandel.  Und weiter: Ist er oder sie mit der Übersetzung in diesem Fachgebiet, dem Genre und der entsprechenden Terminologie und ungeschriebenen Gesetzen oder festgelegten Normen vertraut? Logisch, dass ein „ja“ auf diese Fragen die Qualität einer Übersetzung entscheidend verbessern kann. Eine produktive und informative Zusammenarbeit, die den Übersetzer so früh und so umfassend wie möglich in die Textarbeit einbindet, lohnt sich also für alle Seiten. Denn nur so ist der Übersetzer in der Lage die richtigen Worten für Sie aus dem Wörtermeer herauszufischen.