Aller Anfang ist schwer – wie man den idealen Anfang für eine Geschichte findet

Kleine gläserne Schreibmaschine auf Holztisch

Die Geschichte ist im Kopfkino gelaufen, das Exposé geschrieben, der Ablauf klar. Jetzt muss das Buch nur noch geschrieben werden. Eigentlich. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wieder mal sitze ich am PC und starre nachdenklich auf den weißen Bildschirm. Wie soll ich bloß anfangen? Mit welcher Szene?

Der Anfang ist wichtig. Er soll fesseln, möglichst gleich mit dem ersten Satz, damit die Leser auch weiterlesen. Denn die erste Seite ist neben Klappentext und Titel ein wichtiges Auswahlkriterium für den Kauf eines Buches. Zumindest bei mir. Ich bin aber sicher, dass es vielen anderen ebenso geht.
Dementsprechend hoch sind meine Ansprüche an einen guten Anfang und ersten Satz. Auch beim Übersetzen überarbeite ich den Anfang mindestens einmal mehr als den Rest des Buches.
Aber wie fängt man nun an?

Drei Anfangs-Strategien:

Ich nutze dafür hauptsächlich drei Strategien:

  1. Der Stimmungsanfang: Hier wird zunächst einmal Umfeld, Held oder auch das Wetter beschrieben, um Stimmung und Atmosphäre zu schaffen. Die Leser werden langsam in die Geschichte hineingeführt und die Spannung allmählich aufgebaut.

  2. Der Mittendrin-Anfang: Wie es schon heißt, beginnt das Buch entweder mit einer wörtlichen Rede, aber auf alle Fälle mitten in einer Szene, die meist auch einen Wendepunkt oder Anfang im Leben der Buchhelden bedeutet beziehungsweise die Handlung in Gang setzt. Die Leser erleben die Buchhelden dadurch gleich in Aktion. Mein absoluter Lieblingsanfang, den ich sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen bevorzuge.

  3. Der Rückblendenanfang: Das Pferd wird quasi vom Schwanz aufgezäumt. Die Geschichte beginnt mit einer Situation, die sich in der Mitte einer Szene, in der Hälfte des Buchs oder am Ende ergibt, zum Beispiel eine missliche Lage, in der sich der Held befindet, und der Held erzählt im Verlauf des Buchs, wie es zu dieser Situation gekommen ist.

Dann gibt es noch den Prolog. Er ist eine ganz besondere Form des Anfangs und erzählt quasi die Vorgeschichte bzw. Geschehnisse, die der eigentlichen Handlung des Buchs vorausgehen und mehr oder weniger Auslöser dafür sind.

Welcher Anfang ist die beste Wahl?

Welcher Anfang die beste Wahl für das Buch ist, hängt natürlich auch von der Geschichte ab. Bei einer Kurzgeschichte und auch kurzen Kinderbüchern für kleine Leser will ich mich nicht lange mit Beschreibungen aufhalten, sondern aufgrund des beschränkten Platzes für die Geschichte gleich mittendrin anfangen. Aus meiner eigenen Kindheit weiß ich noch, dass ich Dialoge besonders gemocht und lange Beschreibungen immer übersprungen habe. Und aus meinen Lesungen sowie von den Freunden meiner Kinder weiß ich, dass es vielen Kindern ähnlich geht.
Auch heute noch mag ich ausschweifende Ortsbeschreibungen in Büchern nicht. Ich will nicht wissen, wo jedes Glas im Regal steht oder den Teppich bis in den kleinsten Webfaden beschrieben haben. Ich möchte Raum für meine eigenen Vorstellungen beim Lesen haben. Aber das ist natürlich auch Geschmackssache ;-)
Und natürlich nehme ich mir im Buch auch immer wieder Zeit und Platz für etwas längere Beschreibungen, die der Atmosphäre dienen und Stimmung schaffen. Denn natürlich macht es auch hier die Mischung. Wichtig für mich: Ein beschreibender Anfang muss die Handlung dennoch irgendwie voranbringen oder die Buchhelden in irgendeiner Form charakterisieren.

Außerdem gilt, wie für das gesamte Buch, auch bei Anfängen: Klischees sollte man möglichst vermeiden. Zu beschreiben, wie der Held morgens aufsteht und sich die Zähne putzt, ist laaangweilig. ;-).

Aber wie kommt man nun von der Anfangs-Strategie zum ersten Satz?

Jeder Autor geht hier wohl anders vor. Mir hilft es, mich am journalistischen Schreiben zu orientieren (Wer?, Was?, Wann?, Wo?, Wie?) und mir ähnlich, wie bei einer Zeitungsmeldung folgende Fragen zu stellen:

  1. Wer bzw. welches Ereignis setzt die Handlung in Gang?
  2. Was hat dieses Ereignis ausgelöst?
  3. Wann ist es geschehen?
  4. Wo ist es geschehen bzw. wo erfährt der Held davon?
  5. Wie hat der Held davon erfahren?

Und die Bonus-Frage: Wie würde ich anfangen, wenn ich die Geschichte mündlich einer Freundin oder meinen Kindern erzählen möchte?

Schon die Antwort auf eine dieser Fragen kann ein guter Einstieg in die Geschichte sein. Wie bei einer Zeitungsmeldung, in dem einem Satz neugierig auf die Meldung gemacht wird, sollte auch ein guter Buchanfang neugierig machen, Aufmerksamkeit erregen, die Spannung schüren – kurz: das Verlangen wecken, das Buch weiterzulesen. Dies gelingt am Besten, wenn der Anfang Fragen aufwirft, die erst im Verlauf der weiteren Handlung geklärt werden.
Auch für den Anfang gilt das Prinzip: Show, don’t tell. Also bildhaft erzählen und die Figuren handeln lassen, nicht einfach irgendwelche Behauptungen aufstellen, die sich durch nichts im Handeln der Figuren begründen.
Manchmal finde ich mehrere Möglichkeiten zum Einstieg, die mir gut gefallen. In diesem Fall schreibe ich tatsächlich mehrere Anfänge und entscheide dann, welcher Anfang die Geschichte am Besten in Fluss bringt beziehungsweise, welcher Anfang für mich beim Schreiben am besten „flutscht“.